Während der letzten Wochen war entlang des Akdeniz in allen Zeitungen immer wieder vom Verkauf resp. möglichen Erwerb von 2B-Land (Land des Staates, mit Nutzungsrecht der Bauern gegen bescheidenes Entgelt) durch die derzeitigen Eigentümer die Rede. Die Finanzämter berichteten von großem Interesse und verwiesen immer wieder auf den Ablauf der Bewerbungsfrist Ende Oktober.
Am vergangenen Freitag passierte dann etwas Erstaunliches: Selbst die Imame in ihrer Freitagspredigt gingen auf das Thema ein und predigten von "Islamischem ökologischem Gleichgewicht", dieses einzuhalten Pflicht jedes Muslims sei und in diesem Zusammenhang müsse man auch die Aufgabe sehen, "sein" 2b-Land zu schützen und weiter zu betreuen. Ein unglaublicher Vorgang!
Jetzt wird sichtbar,
weshalb selbst die Moscheen in diesen Verkauf, der in Wirklichkeit noch gar kein Verkauf ist, eingebunden wurden.
Kadastro kayıtlarına göre Antalya’daki 2B arazilerinin toplam büyüklüğü 260 milyon metrekare. Türkiye’de en fazla 2B varlığı bulunan Antalya’da 82 bin hak sahibi mevcut. Mayıstan bu yana ilde 55 bin hak sahibi başvuruda bulundu. Quelle
Alleine in Antalya (hier gibt es am meisten 2B und Wald) gibt es rund 82 000 Besitzer. Laut Angaben des Finanzamtes sollen 55 000 bisher ihre Unterlagen eingereicht haben. Ob sie auch die 1000 TL Gebühren pro Parzelle bezahlt haben, darüber wird eisern geschwiegen.Andere Quellen sprechen übrigens davon, dass sich höchstens 40% der Landbesitzer überhaupt beworben haben. Stattdessen wird gedroht: Wer sich nicht bewirbt und bezahlt, dessen Tapu wird gestrichen, das Land geht an den Staat über und kann an irgend jemanden veräußert werden.
Das wäre dann praktisch eine Enteignung, denn: Indem jemand Antrag auf Erwerb des Landes stellt, bezahlt er 1000 TL Gebühr pro Parzelle. Er kennt aber den Preis nicht, den er später für das Land zu bezahlen hat und es ist auch nicht definiert, wie dieses Land weiter verwendet werden kann. Hierbei geht es wieder um ein anderes Gesetz, nämlich, dass in in Dorfgebieten Land und Wald zu schützen sind und baumässig ausschließlich für Eigenbedarf (mit einem aufwändigen und kostspieligen Verfahren) erschlossen werden können.
Mit diesem Vorgehen wird ein altes Gesetz der Türkei ausgehebelt, wonach ein Bauer, welcher 2B Land mehr als 25 Jahre gegen ein kleines Entgelt an den Staat bewirtschaftet, dieses Grundstück praktisch ersessen und gegen einen symbolischen Beitrag erwerben kann. Von symbolisch kann hier aber keine Rede mehr sein.
Dazu kommt ein weiteres neues Gesetz, wonach in vielen Provinzen die gesamte Verwaltung zentral über den Provinzhauptort erfolgen wird, die Gemeinden untergeordnete Vollmachten kriegen und die Dörfer als Quartiere in die Gemeinden einverleibt und somit in verschiedenen Belangen neu steuerpflichtig werden. Etwas viele Unbekannte auf einen Schlag.
Die Bauern werden also gezwungen, sich um Erwerb ihres Landes zu bewerben, dessen effektiven Preis sie noch nicht kennen und über dessen Nutzung keinerlei Klarheit für die Zukunft besteht. Es ist durchaus vorstellbar, dass in einer späteren Etappe nochmals eine Privatisierung erfolgt, welche dann auch Bautätigkeit mit einschließt. Das gibt es natürlich nicht kostenlos.
Der Vorgang, der hier stattfindet, ist unglaublich: Der Staat beschafft sich hier Geld von Leuten, welche kein Geld haben und offeriert ihnen Schulden zu guten Konditionen. Konkret: Ein Bauer besitzt 3 Parzellen 2B-Land mit total 20 000 m2. Für jede Parzelle muss er sich einzeln bewerben und 1000 TL hinterlegen. Nach Ablauf der Bewerbungsfrist erfolgt dann die Bewertung, je nach Lage und gegenwärtigem Zustand. Man geht davon aus, dass im Hinterland pro 1000m2 zwischen 600 und 1500 TL verlangt werden, macht also für den Bauern zwischen 15 000 TL und 30 000 TL, welche er bezahlt, um hier weiter Landwirtschaft betreiben zu können. Dieses Geld kriegt er von den Banken, wie er es zurückbezahlen soll, ist aber völlig unklar, denn an seiner finanziellen Situation hat sich nichts geändert.
De facto beschafft sich der Staat Geld, welches nicht vorhanden ist. Auszubaden haben diese Aktion die Bauern, deren Grundkosten steigen werden, ohne dass im Gegenzug irgendeine Verbesserung ihrer derzeitigen Situation eintritt. Es besteht somit die Gefahr, dass durch diese Maßnahmen das Rückgrat der regionalen Agrarversorgung gebrochen wird, dies dann allerdings auch mit Auswirkungen für die grossen Zentren.
Weshalb das alles?
Die Türkei hat in den letzten Jahren eine ganze Reihe ambitionierte Groß-Projekte im Bereiche Infrastruktur aber auch Energiewirtschaft durchgezogen. Dazu kommt eine Sozialreform, vor allem im Gesundheitswesen, welche dem Staate Milliarden roter Zahlen beschert. Diese Finanzierungslücken konnten gedeckt werden, indem Staatsbetriebe verkauft, öffentliche Ausschreibungen nach dem "Mach und betreibe"-System stattfanden. Trotzdem, jährlich sind Milliarden an Zusatzeinnahmen nötig, um das Budget einigermaßen einhalten zu können. Nachdem nun die staatlichen Perlen veräußert wurden, ist das 2-B Land der Bauern an der Reihe. Erwartet werden Einnahmen in dreistelliger Milliardenhöhe. Diese Summe taucht dann in den Privathaushalten der Landbevölkerung irgendwann als Neuverschuldung auf.
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